Anton Bruckner wurde in eine Zeit hineingeboren, die durch gravierende politische, soziale und wirtschaftliche Umwälzungen gekennzeichnet war. Mit der Revolution von 1848 wurde durch die vom Bürgertum ausgehenden demokratischen Bestrebungen in Österreich das Ende der absolutistischen Herrschaftsform und der Macht der Aristokratie heraufbeschworen. Für das Bürgertum galt es, noch harte Kämpfe durchzustehen, bis im Jahre 1867 die Durchsetzung der demokratischen Staatsverfassung gelang. Die Kultur wurde vom Großbürgertum als politisches Kampf- und Machtmittel eingesetzt. Die liberalen Strömungen führten für kurze Zeit auch zu einer wirtschaftlichen Hochblüte, zu der in Wien die Ringstraßenpalais, in deren Salons berühmte Musiker wie Johann Strauß verkehrten, errichtet wurden. Nach dem Börsenkrach vom Jahre 1873 traten verstärkt antiliberale politische Tendenzen auf und die vom Kleinbürgertum und der Arbeiterschaft ins Leben gerufene christlich-soziale Bewegung vermochte schließlich das Großbürgertum aus seiner Machtposition zu verdrängen.
Die aus vielen Nationalitäten zusammengesetzte Habsburgermonarchie drohte aufgrund der nationalistischen Unabhängigkeitsbestrebungen allmählich zu zerbröckeln, sodass Kaiser Franz Josef I. ihren Untergang nur mehr hinauszögern, aber keineswegs mehr verhindern konnte.
Im Zuge der sich vollziehenden Industrialisierung entstanden auch komplexere soziale und ökonomische Strukturen, die eine Anhebung der Bildungs- und Ausbildungsansprüche notwendig machten. Das Bürgertum forderte eine Anpassung des veralteten Bildungssystems an die neue Gesellschaftsordnung, wobei es auf Widerstand vonseiten der Kirche stieß, die mit allen Mitteln die liberalen Interessen bekämpfte, weil sie ihre Funktion als Schulaufsichtsbehörde und oberste moralische Instanz nicht an den Staat abtrat, sondern beibehalten wollte. Sie verlor letzten Endes den bitteren Kampf gegen den Staat.
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