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"Non confundar
Ein Brucknerzyklus"
von Otto Jungmair

 
 
 

Aus dem Buch:
"Ausgewählte Gedichte"
von Otto Jungmair,
Verlag RegionalEdition.



  Autor: Otto Jungmair

 


"Non confundar - Ein Brucknerzyklus" erschien erstmals in
Otto Jungmairs Buch "Wunden und Wunder", 1963.
Das Buch "Ausgewählte Gedichte" von Otto Jungmair,
erschien 2006 im Verlag RegionalEdition.
Nähere Informationen zum Buch und Bestellmöglichkeit
finden Sie auf der Homepage www.eurojournal.at/Buchshop
oder beim Verlag RegionaEdition, Karl Wiser Str. 4, 4020 Linz.
Tel. 0732/660607 / E-Mail: eurojournal@utanet.at



Landschaft

Schwer schwillt die Frucht im reifenden Gelände,
Durch das du kommst auf stillen Wiesenwegen,
Vom Kornfeld strömt dir süßer Duft entgegen
Und Ähr’ um Ähre küßt dir zart die Hände.

Frohlockend in dem sommerlichen Reifen
Steigt Lerchenjubel auf aus allen Feldern
Und fern enteilt, weit hinter Obstbaumwäldem,
Hinaus ins Land ein Zug mit schrillem Pfeifen.

Dort drängt die Welt mit gierigen Gebärden,
Dort hastet neidverwirrt ihr Geltungswille –
Du gehst den grünen Weg hier in die Stille,
Um wieder rein und wieder Kind zu werden.

Wer so in frommer Einfalt neu geboren,
Den grüßt das Heiligtum mit offnen Toren,
Dem schließt es tönend sein Geheimnis auf
Und trägt ihn himmelwärts auf seligen Flügeln.
Schon grüßt dich hinter waldumrauschten Hügeln
Verheißungsvoll der Glockentürme Knauf!
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Sankt Florian

Still liegt der Markt und seine Häuser rücken
Zum Riesenbau mit seinen lichten Wänden,
Auf daß sie Hilfe dort und Frieden fänden,
So sie devot sich unterm Krummstab bücken.

Wie freudiger Klang von Hörnern und Fanfaren
Baut sichs empor von zauberkundigen Händen,
Ein Hymnus ist’s von Pfeilern und von Wänden,
Die dienender Künstler Inbrunst offenbaren.

Des Stiegenhauses weiße Bogen leiten
Dich aufwärts durch der Hallen weite Gänge,
Stuckdecken jubeln ihre Lichtgesänge,
Wie Blumen sie und Fruchtgirlanden breiten.

Kunstreiche Türen geben frei die Schwelle,
Daß Prunkgemächer leuchtend dich empfangen;
Ein Farbenrausch des Lichts hält dich umfangen –
Scheu stockt dein Fuß, wie an geweihter Stelle.
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Introitus

Hier stand auch er in diesen weiten Räumen,
Die keine Hast profaner Unruh kennen
Und, wie sie bergend dich vom Weltlärm trennen,
Auch ihn umfriedeten mit Schönheitsträumen.

Pracht, die nicht prahlt, ist um ihn ausgegossen
In Fresken, Gobelins und Prunktapeten;
Er sieht im festlichen Ornate beten
Priester und Fürsten, hermelinumflossen.

Da faltet seine Demut fromm die Hände
Und beugt sich dem Symbol der hohen Mächte
Und lehrt ihn beten in der Not der Nächte
Und kindlich sein und rein bis an das Ende.

Einordnen lernt er schon sein kleines Leben
Ins Große hier auf seiner Kindheit Wegen.
Drum überströmt’ ihn Gott mit seinem Segen
Und gab ihm reich, wie keinem er gegeben.
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Ansfelden

Im Dorfkirchlein auf hölzerner Empore,
Hoch oben neben Pauken und Trompeten,
Lernt er daheim als Kind schon singend beten,
Der Orgel nah und ihrem Klang am Chore.

Scheu lugt sein Aug über die Balustraden,
Wo unter ihm im Weihrauchwolkenschimmer,
Im bunten Meßgewand, beim Lichtgeflimmer,
Der Priester bringt das Opfer aller Gnaden.

Es stockt das Herz, die Kinderträume schweigen,
Umfangen ganz vom himmlisch hohen Glorien – –
Hell singt sein Stimmlein mit die Responsorien,
Indes die Gläubigen sich betend neigen.

Nicht im Konzertsaal vor dem Aug der Menge,
Wo andere heiß um lauten Beifall ringen,
Entfaltet seine Seele ihre Schwingen:
Ihr Urerlebnis waren Orgelklänge!
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An der Großen Orgel

Nun thront er hoch auf stolzer Stiftsempore
– Ein Priesterkönig schlicht im Bauernkleide –
Mit hundert Stimmen singt von Freud und Leide
Die königliche Tönerin am Chore!

Mit hundert Stimmen kündet sie der Menge,
Was er erlebt im keuschen Künstlertraume,
Sie ruft durch ihn aus fernem Weltenraume
Lichtkräfte Gottes in die Erdenenge.

Die Orgel wird Altar, vor dem er betet –
Es singt und klingt in ihm ein höherer Wille,
Erlösend führt sein Klang zu heiliger Stille
Das bange Herz, das sich zu ihm gerettet.

Und innerlich durchglüht von Melodien,
Liegt auch – in Andachtsschauern tief versunken –
Wie nach dem Licht der Höhen sehnsuchtstrunken,
Des Meisters Seele schluchzend auf den Knien.
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Berufung

Lichtvolle Klänge, die vom Siege singen,
Hört bang der Zagende, der mutlos steht,
Wie Gottes Stimme hört er ’s mächtig klingen
Und flieht aus Herzenskleinmut zum Gebet.

Scheu hält er inne vor des Altars Stufen –
Da wird ihm dröhnend seine Sendung kund:
”Ich bin der Herr, dein Gott, der dich gerufen,
Ver grabe nicht dein anvertrautes Pfund!”

Und bang zurück klingt sein befangnes Fragen:
"Was willst Du, Herr, daß ich erfüllen soll?” –
"Steh auf, geh in die Stadt hin ohne Zagen
Und bring ’der Welt mein Wort, der Gnade voll!”

Sein Herz erglüht! Von tausend quellenden Trieben
Aus Gottes Schoß strömt ihm die Werdekraft,
Geborgen tief im Glauben und im Lieben,
Wird ihm der Mut, der in ihm bauend schafft.

Mit Feuerzungen trägt er allerorten
Den heiligen Klang hin, wie der Herr es will:
Gott selbst ist leuchtend in ihm Klang geworden
Und gläubig hält er seinem Tönen still!
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Der reine Tor

Alle Kunst ist leidgeboren –
Er geht den Weg des reinen Toren
Als Fremdling durch die laute Welt,
Die heilige Sendung zu vollenden;
Doch was er gibt mit Priesterhänden,
Am Wahn der tauben Zeit zerschellt.

Dem schnöden Mammonsdienst ergeben,
Erstickt im Stofflichen das Leben
Und alle Seelenkraft zerbricht.
In diese Zeit zerpeitschter Nerven
Beseelend einen Strahl zu werfen,
Bringt er der dunklen Welt das Licht.

Ihn peinigt nicht das eitle Schwanken
Zerquälter, zweifelnder Gedanken –
Das Ewige lebt ihm gewiß.
In Gottes Vaterhand geborgen,
Vertraut er auf den lichten Morgen
Und wehrt er aller Finsternis.

Gottsucher nicht, längst ein Gottfinder,
Voll seliger Einfalt reiner Kinder,
Ist er erfüllt vom Sinn der Welt
Und trägt so seiner Seele Segen
Dem Irrwahn seiner Zeit entgegen:
Im Herzen Kind, im Tun ein Held.
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Kampf und Erlösung
St.-Michaels=Symphonie VIII


Das Himmelslicht kämpft mit der starren Erde,
Die selige Traumwelt mit den Wirklichkeiten –
Der Genius ringt aus irdischen Nichtigkeiten
Durch Dunkel aufwärts sich zu neuem Werde.
Und wie aus wilden, wogenden Meeresweiten
Auftrotzt vor uns das drohende Felsenriff,
So zuckt mit ungestümem Griff
Das Leid nach ihm mit drohender Gebärde.
Es folgt ihm mit gewaltigen Flügelschlägen
Auf seiner Seele einsam stillen Wegen,
Lastend und lähmend und Verderben kündend,
Den gläubigen Traum der Kindheit überwindend.

An der Seele Gottesstille
Rührt der Welt Vernichtungswille
Und durch lichtes Frühlingsland,
Wo die guten Geister wohnen,
Weht der Gifthauch der Dämonen.
Aus Tiefen wild nach oben springend,
Sphärenklänge überklingend,
Drängt und dräuet Lucifer
Und mit teuflischen Grimassen
Tobt ein wildentfachtes Hassen
Um ihn wie ein brandend Meer.
Stöhnend wehrt er dem Vernichter –

Doch des Lebens letzte Lichter
Löschen in den Einsamkeiten
Und in uferlosen Weiten
Wehr und Waffen ihm entgleiten,
Bis vor ihm aus Nacht und Not
Grinst der Tod!
Unerbittlich droht
Die Totenuhr mit dumpfen Schlägen – – –
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Scherzo

Die nur, die aus Finsternissen
Sich empor ans Licht gerungen,
Die in sich die Not bezwungen,
Glauben an das Licht und wissen
Um des Leides Kraft und Segen –
So nach einsam dunklen Wegen
Strahlt auch ihm fern Licht entgegen,
Das nach Kampf ihm und Entsagen
Himmelsboten niedertragen.
Vor ihm steht im Lichte hell
            Sankt Michael!
Aus des Cherubs Strahlenblick
Ins gequälte Herz zurück
Überird ’sche Kräfte rinnen –
All sein Kampf kehrt sich nach innen,
Wo sein Glaube und Vertrauen
Neu ihm eine Welt erbauen.
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Adagio

So nah ’n in heilig ernster Nacht
Auch ihm des Heilands selige Boten,
Des reinen Toren Werk erwacht
Zum Klang, wie es sein Gott geboten.
Die Seele öffnet lauschend sich
Dem Harfenklang der Cherubime,
Sie hört der Offenbarung Stimme,
Die sie ins Licht aufruft zu sich:
"Du hast des Todes Nacht geschaut
In deines Lebens dunklen Stunden,
Du hast den Tod nun überwunden
Und neue Tempel mir erbaut.
Du hast in deiner Klänge Beten
Dein Herz im Guten treu geübt,
Nun darfst du in die Gralsburg treten,
Wo Vatergüte dich umgibt:
Im heiligen Kampfe aller Geister
Steh erzumpanzert, licht und groß!”
Gralsweihe krönt den schlichten Meister
Im Wunder des Adagios.
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Finale

Nun brechen aus den Himmelshallen
Des Lichtes Heerscharen in die Welt,
Durchleuchten mit der Liebe Strahlen,
Was kalt und müd sich abseits stellt.
Sankt Michael schwingt mit starker Hand
Des Feuerschwertes sprühende Lichter –
Durchläutert von dem Feuerbrand
Weicht scheu die Schar nun der Vernichter;
Des Feindes Starre ist gebrochen –
Was dumpf in Haß und Neid gekrochen,
Spürt lichtes, seliges Erlösen:
Verwandelt wird die Macht des Bösen.
        Hoch über Tod und Weltgericht
        Die Liebe lichte Kronen flicht.
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Ausklang
IX.Symphonie
An des Erdenlebens Ende
Hebt er betend nun die Hände
Und schaut mit verklärtem Blick
Auf den Weg von Stuf ’ zu Stufen,
Den er aufwärts ging, zurück,
Auf zu Gott, der ihn gerufen.

Aus vergangenen Erdentagen
Taucht empor sein banges Fragen
Vor des Cherubs ernstem Blick:
"Danktest du dem Herrn die Gaben,
Hast dein Pfund du nicht vergraben,
Bringst du’s reicher ihm zurück?” –
"Gott ist groß auch im Vergeben,
Ja, er wird dich aufwärts heben
Und auf seinen heiligen Schwingen
Wird dein Leben weiterklingen!”

Schon fällt alle Erdenschwere
Von der Seele läuternd ab,
Alles Leid versinkt ins Leere,
Das auf Erden sie umgab.
Schattenhaft zieht es vorbei
Und hin über Raum und Zeiten
Fühlt sie schwebend sich entgleiten,
Erdgelöst, verklärt und frei! –
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Scherzo

Ein leises Klirren –
Kein Ruh’n und Bleiben,
Ein wehes Irren
Und Fernhintreiben,
Ein polternd Dröhnen
Und banges Stöhnen,
Ein müdes Liegen
In fernen Zeiten,
Ein sanftes Wiegen
In Seligkeiten,
Ein Suchen und Drängen
Aus irdischen Engen,
Ein Bitten und Rufen
Hinan die Stufen,
Bis endlich die Seele in seliger Süße
Nieder sich wirft vor des Vaters Füße.
Schon fühlt sie sich aufwärts gehoben, getragen,
Da bangt erneut ihr zitterndes Fragen:
"Hab ich erfüllt, was Du mir gegeben,
War es kein vergebliches Streben?
Sieh, meine Wanderung ist zu Ende,
Nimm auf mich, Herr, in Deine Hände!”
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Adagio

Weiter über Felsenklüfte,
Dunkle Gräber, kalte Grüfte,
Schwingt sich unsterblich der Klang empor;
Da dringt es erlösend ans bangende Ohr,
Das hinlauscht, hinein in die Ewigkeit:
        "Sei bereit,
Sei stille im Herrn, dein Trost ist nah!
Du hast in läuternden Erdentagen
Treu meinen Willen ins Licht getragen,
Du sollst vor keinem Gerichte zagen,
Sei stille im Herrn, das – Licht – ist – da!!”
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Da bricht jäh der Klang –
Ein glückseliger Schrei!
Die Form zersprang –
Die Seele ist frei!
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Ätherbläue, weit ausgespannt,
Strahlt segnend über der Menschen Land
Und rührt an des Vaters Mantelsäume –
Der Klang steigt aufwärts in endlose Räume.
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Mit ihm sein letztes Werk verklang;
Es glühte auf im Jenseitsstrahle,
– Unvollendet blieb der Sang –
Des Meisters Tod ward sein Finale!

 

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