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"Anton Bruckners Spuren im
Bezirk Amstetten - Teil
II"

 
 
 

Quelle:
Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der
Bezirkshaupt-
mannschaft
Amstetten,
22. Jg. / Nr. Nr. 316,
01.01.1997



  Autor: Dr. Heimo Cerny

 




Anton Bruckner in Amstetten

August Göllerich schildert im 2. Band (S.311ff.) seiner monumentalen Bruckner-Biographie eine jener merkwürdigen, für den alternden Meister ganz typischen Liebesepisoden. In deren kurzem Verlaufe verschlug es den 68-jährigen, in Anbetung eines weiblichen Geschöpfs, auch einmal nach Amstetten. Es war dies im Jahr 1892:

„Bei einem seiner Sparziergänge, die Bruckner meist in Gesellschaft des Musiklehrers Karl Aigner im Markt oder in der Umgebung von St.Florian machte, bemerkte der Meister ein hübsches Mädchen von etwa 16 Jahren, dasseine Aufmerksamkeit in hohem Grade erregte. Er promenierte mit Aigner mehrmals vor dem Gerichtsgebäude, in welchem die Schöne verschwunden war. Nach einiger Zeit erschien das junge Mädchen, Anna R. (= Rogl), die Tochter des Kerkermeisters, in dem Garten vor dem Gebäude und der Meister stand plötzlich vor ihr, stellte sich vor und sagte ihr zärtliche Worte. Die nunmehrige Frau Anna H. kann sich noch erinnern, daß er bei dieser ersten und auch bei späteren Begegnungen stets mit Begeisterung von seiner 9. Symphonie sprach... Anna kam bald darauf als Stubenmädchen nach Amstetten zum damaligen Bezirkshauptmann Baron Lederer. Bruckner ließ es sich nicht nehmen, auf seiner Rückreise nach Wien das Mädchen dort zu besuchen, obwohl er Baron Lederer nicht kannte. Er schrieb am l. Oktober 1892 aus Steyr an Anna: „Hochgeehrtes Fräulein!

Meinem Versprechen gemäß empfangen mein Bild. Bitte um das Ihrige. Mittwoch 5. Oktober, circa 2-3 Uhr werde ich mit dem Mittagszug in Amstetten sein. Soll ich Sie jetzt besuchen oder erst später einmal? Bitte Sie mir hierüber zuschreiben. Mit Handkuß Ihr Bruckner."

Die Photographie trägt auf der Rückseite die Widmung: „Dem hochgeehrten Fräulein Anna Rogl in innigster Verehrung. Dr. A. Bruckner." Der Besuch in Amstetten kam wirklich zustande. Bruckner wurde im Salon des Barons empfangen, wo er mit Anna R. zusammentraf und sich bis zum nächsten Zug aufhielt, zu dem ihn Anna begleiten durfte. Sie empfing noch seine Visitenkarte mit der Wiener Adresse, damit sie ihn dort besuchen könne. Seine Wirtschafterin würde sie an der Bahn erwarten und er wolle ihr die Sehenswürdigkeiten Wiens zeigen. Trotz eines nochmaligen Briefes des Meisters kam es zu diesem Besuch nicht mehr. Das junge Mädchen antwortete nicht mehr und damit hattediese merkwürdige Episode ein Ende gefunden." Soweit der Bericht August Göllerichs.

Daß Anton Bruckner auch im Jahr darauf noch mindestens einmal in Amstetten Station machte - aus welchem Grund auch immer - erfahren wir aus einem Brief des Amstettner Cafetiers Ignaz Putz. Dieser war ein musikalisch gebildeter Mann und spielte als Mitglied des Gemeinderates im Kulturleben des aufstrebenden Bezirksvorortes gewissermaßen die erste Geige. In seiner Funktion als Obmann des Männergesangsvereines richtete er am 10. August 1893 an den ihm offensichtlich gut bekannten Komponisten folgenden Bittbrief:

„Sehr geehrter Herr Bruckner!
Eingedenk Ihres mir und meiner Familie stetts bewiesenen Wohlwollens und Freundschaft, nehme ich mir die Freiheit an Sie mit einer großen Bitte heranzutretten: Nehmlich mangelt unserem Männer-Gesang-Vereine, dessen Vorstand ich seit 13 Jahren bin, ein Motto (Wahlspruch) und wage ich es daher an Sie hochgepriesenen und hoch zu verehrenden Componisten die Bitte zu richten, unseren beigeschlossenen Wahlspruch im Lied güttigst setzen zu wollen, um nicht nur mir, sondern den durch mich vertrettenen Männergesangs-Verein eine stetts hochzuhaltende, bleibende, angenehme Erinnerung zu vermachen! wofür wir gewiß gebührenden Dank wissen werden. Da wir Ende des Monats ein größeres Sängerfest haben, würde es mich überaus freuen, schon bis dort im Besitze dieses Mottos zu sein. Vor kurzem waren Herr von Bruckner bei mir und ich war leider vom Hause abwesend! habe es sehr bedauert! gebe mich aber der angenehmen Hoffnung hin, recht bald wieder das Vergnügen haben zu können. Mit der Bitte über mein Ansinnen nicht ungehalten zu sein, schließe ich mit freundlichen Grüßen von mir und Frau in vollster Hochachtung ergebenst Ignaz Putz".

Eine Antwort Bruckners auf dieses Schreiben liegt nicht vor. Fest steht jedoch, daß der Meister dem Begehren des Amstettner Gesangsvereines nicht nachkommen konnte. Bruckner lag zu diesem Zeitpunkt schwer krank darnieder, denn „über das Jahr 1893 waren bereits drohend die Flügel der Todeskrankheit gebreitet", um den Biographen August Göllerich zu zitieren. Schon im Juli hatten ihm die Arzte jede geistige Anstrengung und somit das Komponieren verboten.

Amstetten besitzt zwar keine Komposition aus der Feder des Meisters, doch existiert in einer Amstettner Bürgersfamilie ein anderes Erinnerungsstück an Anton Bruckner. Es handelt sich um einen kostbaren Ring, der der Überlieferung nach ein Geschenk Bruckners an eine von ihm verehrte Frau gewesen sein soll. Die eingravierte Widmung lautet: „Der Perle von Lustenau". Lustenau war ein Vorort von Linz, dort, wo sich heute das Industriegelände der Voest befindet.

Die mündliche Tradition, die an diesem Ring haftet, lautet in etwa: Als Bruckner in Linz Domorganist war (1855-1868), kam er oftmals hinaus nach Lustenau ins Haus des reichen Wirtschaftsbesitzers Eidenberger. Hier wurde er von der Hausfrau stets mit der „guten Suppe" versorgt, die der Domorganist sehr zu schätzen wußte. Dafür soll er sich später mit besagtem Ring revanchiert haben! Frau Eidenberger war eine geborene Pampl aus Ulmerfeld. Der Ring kam dann im Erbweg ins Pampl-Hausnach Ulmerfeld in die Familie Kriechbaum und gelangte schließlich über Frau Lilly Selker; in die Familie Kubasta-Scheinecker nach Amstetten. Heute ist der Ring im Besitz von Frau Gertraud Ornazeder.


Bruckner-Schüler Joseph Latzelsberger

Unter den ersten Schülern Anton Bruckners am Wiener Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde befand sich auch ein Mostviertler aus dem Bezirk Amstetten: Joseph Latzelsberger, geboren 1849 in der Seitenstettner Stiftspfarre Allhartsberg. Er war der älteste Sohn des dortigen Bäckermeisters, erlernte das Violin- und Orgelspiel beim Oberlehrer Walter und überraschte schon früh durch sein außergewöhnliches musikalisches Talent. Mit 16 Jahren komponierte er bereits eine Messe für den Kirchenchor. In Würdigung seiner auffallenden Begabung setzte sich sowohl der Oberlehrer wie auch der Pfarrer P. Michael Koller dafür ein, den Pepi nach Wien aufs Konservatorium zu schicken. Im November 1868 bestand er die Aufnahmsprüfüng mit so gutem Erfolg, daß er obwohl der Unterricht schon zwei Monate vorher begonnen hatte, sofort eintreten konnte, Latzelsberger belegte bei Prof. Bruckner der zufällig im selben Jahr ans Konservatorium berufen worden war, die Fächer Orgel und Kontrapunkt, die er laut Abschlußzeugnis des Schuljahres 1870/71 mit vorzüglichem Erfolg absolvierte. Er soll übrigens zu den Lieblingsschülern des Meisters gehört haben. Mag schon sein, daß Prof. Bruckner den Allhartsberger Bäckerbuben aufgrund seiner einfachen Herkunft und seines Fleißes besonders ins Herz geschlossen hat!

Latzelsberger erhielt nach Studienabschluß schließlich unter 46 Bewerbern die Regenschori-Stelle an der Pfarrkirche Maria vom Siege in Wien-Fünfhaus und gründete daselbst auch eine gut florierende Musikschule. Seine zahlreichen, in der Bruckner-Nachfolge angesiedelten kirchenmusikalischen Kompositionen gerieten nach seinem Tod 1914 allerdings rasch in Vergessenheit. Die Pfarrgemeinde Allhartsberg setzte ihrem prominenten Sohn im Jahr 1974 mit der Errichtung und Weihe einer „Joseph Latzelsberger-Gedächtnisorgel" ein immerwährendes Denkmal.


Anton Bruckner und die Kaiserstochter

Abschließend soll auch noch auf die Beziehungen Anton Bruckners zur Kaisertochter, Erzherzogin Marie Valerie, die sich bekanntlich nach ihrer Vermählung mit Erzherzog Franz Salvator auf Schloß Wallsee niedergelassen hat, hingewiesen werden. Bruckners erste Kontakte zu ihr gehen auf das Jahr 1886 zurück. Nach einer Aufführung der 7. Sinfonie in München wandte sich auf Ersuchen des Dirigenten Hermann Levi die bayrische Prinzessin Amalie an ihre Cousine Valerie in Wien mit der Bitte um Fürsprache bei kaiserlichen Vater bezüglich einer Unterstützung für den österreichischen Komponisten Anton Bruckner. Die damals erst 18-jährige Erzherzogin nahm sich der Sache spontan an, und Bruckner erhielt eine Gehaltserhöhung um 300 Gulden sowie den Franz Joseph-Orden als Zugabe! Im Dezember 1886 wurde ihm in der Hofburg eine Audienz gewährt, um sich bei seiner Fürsprecherin persönlich bedanken zu können.

Eine ganz große Auszeichnung für Bruckner bedeutete es, als er vier Jahre später von Erzherzogin Marie Valerie gebeten wurde, bei ihrer Vermählung mit Erzherzog Franz Salvator am 30. Juli 1890 in Bad Ischl die Orgel zu spielen. Bruckner erhielt dafür 100 Dukaten Honorar und war bei der kaiserlichen Festtafel geladen. Von diesem Ereignis kursiert eine jener unzähligen Anekdoten, die Bruckners Vorliebe für Kulinarisches festhält:

Nach seinem Meisterspiel auf der Orgel in Ischl wird Bruckner der Hoftafel zugezogen. Kaiser Franz Joseph ist bester Laune und läßt seinem berühmten Gast einen Leckerbissen nach dem anderen vorsetzen. Beständig in der liebenswürdigsten Weise zum Zulangen ermuntert, haut Bruckner so lange tapfer ein, bis er endlich gestehen muß: „Jetzt geht's beim besten Willen wirklich nimmer!" Auf diesen Augenblick hat Franz Joseph, einem harmlosen Scherz nicht abgeneigt, gewartet. Auf seinen Wink wird nun erst eine verführerisch knusprige gebratene Ente dem Meister vorgesetzt Genießerisch blickt dieser zuerst das lockende Lieblingsgericht, dann den lächelnden Kaiser an, tut einen tiefer Seufzer, zückt Messer und Gabel und - bewältigt noch reichlich den halben VogeL „Und ich habe geglaubt, er bringe keinen Bissen mehr hinunter", bemerkt schmunzelnd der Monarch. „Majestät, mit so aner Anten is grad wia mit der Stephanskirchen!" erwidert Bruckner treuherzig. „Ist das nicht ein etwas seltsamer Vergleich?“ fällt ihm der Kaiser ins Wort „Hat schon seine Richtigkeit!" bekräftigt Bruckner. „Die Stephanskirchen kann nu so voll sein, Eure Majestät ham do allweil nu Platz!"

Fünf Jahre später, im Februar 1895, wandte sich der bereits von der Todeskrankheit Gezeichnete nochmals in einer Notlage an die einflußreiche und ihm stets zugetane Kaisertochter: Aufgrund seiner hoffnungslosen Herzerkrankung, die ihm das Stiegensteigen unmöglich machte, suchte er dringend eine ebenerdige, natürlich standesgemäße, komfortable Wohnung in bester Lage. Er bat deshalb die Erzherzogin um Fürsprache beim kaiserlichen Papa, ihm das damals freistehende Kustodenstöckl beim oberen Belvedere zu überlassen. Sein Wunsch wurde tatsächlich erfüllt; es kam zum letzten Wohnungswechsel. Dem greisen Meister wurde nicht nur kostenloses Wohnrecht gewährt, der Kaiser ließ sogar täglich für frischen Blumenschmuck in Bruckners neuem Ambiente sorgen. Es war übrigens eine 9-Zimmer-Wohnung und somit, auch was die elitäre Lage betraf, der Gipfel des denkbaren Wohnkomforts im damaligen Wien! Auf sogenannte „gute Adressen" hat Bruckner zeitlebens immer großen Wert gelegt und sie auch zielstrebig verfolgt und letztlich immer erreicht. Wenn es sein mußte, sogar mit Intervention der Kaisertochter, die im selben Jahr übrigens die Vorbereitungen zur eigenen Übersiedlung ins Schloß Wallsee traf.

Es ist ein berührender Zufäll, daß die Erzherzogin Marie Valerie, die als wohltätiger„Engel von Wallsee" volkstümliche Beliebtheit erlangt hat, ab 1897, in jenem Schloß im Mostviertel residierte, in dessen Herrschaftsbereich Anton Bruckners Vorfahren jahrhundertelang als erbuntertänige Bauern lebten!



Literaturverzeichnis:

August Gollerich - Max Auer. Anton Bruckner - Ein Lebens- und Schaffensbild, 4 Bde. (Regensburg 1922.1937).

Renate Grasberger - Erich W-Partsch; Bruckner skizziert. Ein Porträt m ausgewählten Erinnerungen und Anekdoten (Wien 1991).

Wilhelm Gutenbrunner: Joseph Latzelsberger, In: Festschrift zur Weihe der Joseph Latzelsberger- Gedächtnisorgel in der Pfarrkirche Auhartsberg am 18. März 1974, S. 10 ff.

Robert Hinterndorfer: Musik in Amstetten von den Anfängen bis 1914 (Amstetten 1990).

Leopold Nowak: Anton Bruckner. Musik und Leben, 3. erw. Auflage (Linz 1995).

Vom Ruf zum Nachruf Künstlerschicksale in Österreich. Anton Bruckner. Katalog zur Landesausstellung Oberösterreich 1996.

Franz Scheder Anton Bruckner Chronologie, 2 Bde. (Tutzing 1996).

Ernst Schwanzara: Anton Bruckners Stamm und Urheimat. Sonderdruck aus August Göllerich-
Max Auer, Anton Bruckner (Regensburg 1937).

P.Benedikt Wagner: Joseph Anton Pfeiffer. Ein kleiner Beitrag zur Musikgeschichte unseres Bezirkes. Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der BH Amstetten Nr. 71, 1. März 1978.

P.Benedikt Wagner (Hg): Seitenstetten. Udalschalks Erbe im Wandel der Zeit (Seitenstetten 1980).

P.Benedikt Wagner. Anton Bruckner und Seitenstetten. Vortragsmanuskript vom 13.November 1996

Manfred Wagner: Zum „Bauerntum" des Anton Bruckners, In: Amstettner Beiträge 1975, S.57 ff.

Manfred Wagner: Bruckner (Mainz 1983).

 

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vereines Amstetten
/ Bruckners Geschenk an Frau Eidenberger

Bruckner-Schüler Joseph Latzelsberger / "Joseph Latzelsberger-
Gedächtnisorgel" in Allhartsberg


Anton Bruckner und die Kaiserstochter / Gehaltserhöhung und Franz Joseph-Orden für Bruckner / Orgelspiel zur Vermählung der Erzherzogin Marie Valerie in Bad Ischl / Bruckner an der Hoftafel mit Kaiser Franz Joseph / letzter Wohnungswechsel Bruckners ins obere Belvedere /
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