Hinausstehen!

Bruckner war am Konservatorium in Wien ein gewissenhafter Lehrer, der sowohl Musiktheorie wie praktisches Orgelspiel genau, verständlich und vor allem höchst humorvoll unterrichtete. Das Verhältnis zu seinen Schülern war das denkbar, beste, obwohl er zeitlebens den vormärzlichen Schulgehilfen aus Windhaag nicht verleugnen konnte. Aber weder die Kunstjünger vom Konservatorium noch die akademischen Bürger an der Universität verargten ihm seine Eigenheiten. Sie ahnten mit feinem Empfinden Bruckners künftige Größe und nahmen seine Schrullen als treffliche Würze des sonst trockenen theoretischen Lehrstoffes mit Freuden hin.
Einzelnen Schülern verlieh Bruckner taxfrei seltsame Namen wie "Sie Strumpf!" oder "Sie Strumpfbandl!" Lachte aber einer dazu, so nahm ihn Bruckner bei der Hand, führte ihn vor die Tür und ließ ihn regelrecht "hinausstehen". Nach einer Viertelstunde öffnete dann Bruckner gnädig wieder die Tür und "war wieder gut". So erging es vielen nachmaligen Sternen am Dirigentenhimmel, zum Beispiel Felix Mottl. Und wenn in späteren Jahren sich die jungen Herren einmal gegen das "Hinausstehen" sträubten, dann redete ihnen Bruckner tröstend zu: "Ah was, stellen S’ Ihna aussi, is der Felixl ah draust gstanden!"

Quelle: Hans Commenda: Geschichten um Anton Bruckner", Verlag H.Muck