Stiftsorganist in St. Florian

Der Regenschori im Stifte St. Florian, Traumihler, wachte getreu und gestrenge über die Kirchlichkeit des Orgelspiels. Dabei hatte er mit dem Stiftsorganisten Bruckner nicht selten seine liebe Not. Wenn der an seiner geliebten Orgel saß, ging er so im Spiele auf, dass er Raum und zeit veraß und den wohlgeregelten Ablauf des Gottesdienstes gefährdete. Da wusste sich dann der brave Traumihler nimmer anders zu halfen, als dass er Bruckner mit dem Taktstock tüchtig auf die Finger klopfte und ihn gleichzeitig mit den mahnenden Worten: "Gehst, gehst!" aus seinem siebten Musikhimmel heruntererrief.
Ein besonderes Stück leistete sich Bruckner einmal in der Karwoche. Da fand am Mittwoch, Donnerstag und Freitag nachmittags in der Stiftskirche die sogenannte "Pumpermetten" statt. Einzelsänger und Chor trugen dabei abwechselnd die "Lamentationes" (Klagegesänge) vor. Bruckner begleitete auf besonderes Ersuchen Traumihlers auf dem Harmonium. Zuerst spielte er so schön, reich und vollendet, dass alles entzückt war. Aber bald kam der Geist über ihn und er fing an, die Gesangsmelodie als Orgelthema in das kunstvolle Gewebe einer Orgelimprovisation zu verflechten. So sattelfest die Sänger waren, diesmal konnten sie bei solcher "Begleitung" nur mit größter Mühe ihre Aufgabe zu Ende führen. Bruckner wurde nie mehr zur Begleitung der Pumpermette aufgefordert.

Quelle: Hans Commenda: Geschichten um Anton Bruckner", Verlag H.Muck